Dienstag, 15. Juli 2014

Jedes Haus hat eine Seele

Wissen Sie, jedes Haus hat eine Seele. Oh, nicht von Anfang an. Das dauert eine Weile. Aber am Ende besitzt jedes Haus eine Seele. Natürlich ist nicht jede Seele gut. Das wissen Sie ja sicherlich. Nehmen Sie dieses Haus hier zum Beispiel. Darf ich es Ihnen zeigen? Kommen sie doch einfach mit, keine Angst, ich möchte Ihnen nur erklären, wie das Haus zu einer Seele kommt. Sehen Sie, das Haus ist schon alt. Sehr alt. Es hat viel gesehen. Viel erlebt. Das prägt solch ein Gebäude natürlich.

Sehen Sie, eine wunderbare Halle nicht wahr? Ich finde die geschwungene Treppe beeindruckend. Diese fast schon aristokratische Erscheinung aus dunklem Kirschholz, fühlen Sie wie glatt die Oberfläche des Geländers ist? Poliert von vielen Händen. Und wie weich der Teppich auf den Stufen. Kommen Sie nur herein. Dieser Leuchter wirft ein unglaublich harmonisches Licht auf die Täfelung der Wände oder? Schauen Sie, von hier oben können Sie die Türe sehen. Stellen Sie sich einmal die Wirkung vor, wenn man Gästen über diese Stufen entgegengeht.

Die Großherzogin Andraczy nutze diese Wirkung immer sehr gerne. Wie meinen? Oh, die Großherzogin war die letzte Besitzerin dieses Hauses. Seit ihrem Tod steht das Haus leider leer. So ein großes Anwesen kann sich ja heute niemand mehr leisten. Nun, die Großherzogin musste sich darüber keine Gedanken machen. Die Arbeit die solch ein Haus macht, übernahmen eine ganze Reihe von Hausangestellten. Ein lustiges Wort, finden Sie nicht auch? Hausangestellte. Als würde sich das Haus sein Personal selbst aussuchen. Sehr unwahrscheinlich oder?

Kommen sie mit, ich zeige Ihnen die Privatgemächer der Großherzogin. Sie hatte einen äußerst exklusiven Geschmack. Sehen sie die Schnitzereien über der Türe. Vorsicht, erschrecken Sie nicht. Wenn man darunter steht, können die beiden hölzernen Figuren ein wenig beängstigend sein. Sie waren wohl so eine Art Warnung, dass man die Herrin dieses Hauses nicht behelligen sollte. Bei dem Anblick auf diese verstörend schönen Wesen, die sich sofort auf jeden zu stürzen scheinen, der die Räumlichkeiten der Großherzogin betritt, überlegt man sich wirklich, ob man die Herrin stören sollte.

Aber ich kann ihnen versichern, dass Ihnen nichts geschieht. Es sind nur Holzfiguren. Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Willkommen im Empfangszimmer der Großherzogin. Sehen sie die wundervolle Stofftapete, dieses Muster, fast meint man, man müsse die Blumen darauf schon riechen können. Das Mobiliar ist eher schlicht, ein sehr viel aufwändigeres und größeres Empfangszimmer befindet sich im Erdgeschoss. Dieses hier war für intimere Gäste gedacht. Ich sehe, ihnen ist die Uhr aufgefallen.

Ein besonders schönes Stück. Leider geht sie nicht mehr. Ich habe einmal versucht sie aufzuziehen, aber sie lässt sich gar nicht mehr in Gang bringen. Dabei würde ich gerne einmal hören, wie sie die Stunden schlägt. Es ist ein bisschen als wäre das Herz des Hauses stehen geblieben. Angeblich soll die Uhr mit dem letzten Herzschlag der Großherzogin aufgehört haben zu Ticken, aber ich denke, das ist nur eine schöne Geschichte.

Folgen Sie mir in die nächsten Zimmer. Hier entlang bitte. Begeben wir uns als nächstes in die Bibliothek. Dieser Raum ist besonders beeindruckend, nicht wahr. Diese Regale reichen wirklich bis unter die Decke. Sehen sie das Licht? Es fällt durch diese beiden großen Fenster herein. Nein, hinaus sehen kann man nicht. Man würde dort aber auch nur in einen kleinen Lichthof im inneren des Hauses sehen. Er führt vom Dach bis ins Erdgeschoss, denn die Großherzogin wollte natürliches Licht in all ihren Räumen. Der Innenhof ist übrigens von oben bis unten mit polierten Silberplatten verkleidet. Sie sorgen für dieses warme Licht.

Wie sie sehen, sind die meisten Bücherregale leer. Die meisten Bücher wurden mach dem Tod der Herrin verbrannt. Warum? Oh, man hielt sie für gefährlich. Aber wenn sie mich fragen, das ist albern, wie könnte ein Buch gefährlich sein? Sie haben Recht, ja, es gibt Bücher, deren Inhalt einen Angriff auf den guten Geschmack bildet. Nun, ich habe gehört die meisten Bücher hatten alchemistische Themen, sicher nichts, um das es schade wäre. Aber wer weiß, was noch alles den Flammen übergeben wurde, was uns heute unschätzbar wertvoll erschiene. Von hier aus gelangen wir in das Schlafgemach.

Ja, die vielen Spinnweben machen mich auch traurig, aber man bräuchte viele Hände, dieses Haus in einem bewohnbaren Zustand zu halten. Da hier niemand mehr wohnen will, verkommen die Räume langsam. Sehen sie sich dieses Monstrum von Bett an, kaum zu glauben, dass nur ein einziger Mensch darin geschlafen hat oder? Ja, das wäre Platz für eine ganze Familie. Die Großherzogin hatte es gerne bequem. Das sieht man auch an ihrem Bad.

Sehen sie, fließend warmes und kaltes Wasser. Das war damals etwas ganz neues. Nichtmal die besten Hotels konnten damit dienen. Der Marmor wird leider stumpf. Und auch die wundervolle Kupferwanne hat ihre besten Zeiten lange hinter sich. Sehen Sie die Löwenfüße? Wundervoll,nicht wahr. Ich finde die Einrichtung wirklich geschmackvoll. Aber lassen sie uns wieder ins Schlafzimmer gehen. Ist Ihnen schon aufgefallen, dass es offenbar keinen Zugang für das Personal gibt?

Das täuscht aber. Ja, jeder Raum hier hat einen versteckten Zugang. Hier im Schlafgemach liegt die Türe versteckt hinter der Tapete. Schauen sie hier, dort kann man die Umrisse erkennen. Warten Sie ich werde die Türe für Sie öffnen. Sie geht ein bisschen schwer. Man müsste sie einmal ölen.  Es riecht ein bisschen muffig, diese Gänge haben keine Fenster.Viele der Wände hier sind hohl und beherbergen solche Gänge und Treppenhäuser. Man kann ungesehen jeden Raum in diesem Haus über diese Gänge erreichen. Interessant nicht wahr?

Lassen sie uns das einmal ausprobieren. Ich habe eine Taschenlampe hier. Passen sie auf, die Stufen  sind sehr steil und manche sind schon morsch. Aber kommen sie nur, ich zeige ihnen den vielleicht merkwürdigsten Raum dieses Hauses. Langsam, wir haben ja keine Eile. Wäre doch unangenehm, wenn sie hier ausgleiten und sich vielleicht noch verletzen. Lassen Sie uns ein bisschen langsamer machen. Ich erzähle ihnen inzwischen noch etwas über die letzte Bewohnerin dieses Hauses.

Die Großherzogin war eine reiche Witwe, über einige Ecken mit dem englischen König und dem russischen Zaren verwandt. Woher ihr Geld stammte ist nicht ganz klar, aber sie hatte genug davon und hat auch ihr Leben lang reichlich davon ausgegeben. Ich finde, das kann man dem Haus auch ansehen. Wir sind fast am Ziel, noch hier um diese Ecke, dann sind wir da. Warten Sie ich helfe Ihnen. Die Stufe ist schon zu morsch, nehmen Sie meine Hand. So, sehr gut, da vorne können Sie schon den Lichtschein der Geheimtüre sehen.

Dieser Mechanismus funktioniert noch immer. Es ist erstaunlich, wie dicht die Türen schließen. Sie werden sehen, dass man von Innen die Türe nicht mehr sehen kann, wenn man sie erst einmal geschlossen hat. Ich führe sie in das große Besucherzimmer. Sehen Sie, wirklich repräsentativ, nicht wahr. Diese Möbel sind noch immer in gutem Zustand. Hier empfing die Großherzogin üblicherweise ihre Besucher. Sie wären sicherlich auch beeindruckt von dieser geschmackvollen Einrichtung. Auch wenn die Spiegel schon ein wenig blind geworden sind, sie geben dem Raum noch immer eine erstaunliche Weite.

Stellen Sie sich die vielen großen Vasen einmal mit Blumen vor, der Raum von seinem Kronleuchter hell erstrahlt. Und wieder die milchigen Fenster zum Innenhof. Wundervoll die Wirkung dieses diffusen Lichteinfalls. Der Schreibtisch dort hinten ist auch ein Schmuckstück. Sehen sie ihn sich nur näher an. Wundervolle Schnitzereien und eine schwarze Granitplatte. Setzen sie sich doch einmal. Ich werde mich hier hinter den Schreibtisch setzen. Ich sitze ein bisschen erhöht, haben sie es bemerkt? Ein kleiner Trick mit einer großen Wirkung. Wie meinen Sie? Bedrohlich? Aber nicht doch, ich wirke doch nicht bedrohlich. Oder vielleicht doch? Das liegt aber sicher nur daran, dass sie jetzt ein bisschen zu mir aufsehen müssen.

Ich muss ihnen etwas gestehen. Ich habe sie nicht ganz ohne Grund in dieses Haus eingeladen. Sie erinnern sich? Ich wollte ihnen zeigen, dass das Haus eine Seele hat. Nun, das kommt so: die Großherzogin war eine grausame Frau. Sie ließ von ihrem treuen und skrupellosen Diener immer wieder junge, hübsche Frauen entführen. Sie erinnern sind an die Wanne im Bad? Dort pflegte die Großherzogin im frischen Blut dieser Mädchen zu baden. Ja, sie glaubte dadurch ewig zu leben.

Wie sehr sie sich doch irrte. All diese jungen Mädchen starben völlig umsonst. Nun, wie ich Ihnen bereits erzählt habe, starb die Großherzogin. Oh, habe ich Sie jetzt erschreckt? Das wollte ich nicht. Ich erzähle Ihnen nur, was man hier von vielen der Bewohner in der Nachbarschaft zu hören bekommt, wenn man nur genug Schnaps spendiert und vorsichtig das Gespräch auf das verfluchte Haus bringt. Oh, hatte ich das noch nicht erwähnt? Viele glauben, auf dem Haus liegt ein Fluch.

Ich muss ihnen noch etwas gestehen. Dieser Schreibtisch hat ein weiteres Geheimnis. Es gibt hier einen kleinen Schalter, hier unter der Platte. Warten Sie, ja, man kann ihn fühlen. Bleiben sie nur still sitzen, ihnen passiert nichts. Ich habe ihnen doch gesagt, sie müssen sich nicht fürchten. Was dieser Schalter auslöst? Nun, das werden sie gleich sehen. Passen Sie auf.

Haben sie sich verletzt? Sehen sie, der Schalter löst eine Falltüre unter dem Stuhl vor dem Schreibtisch aus. Sie brauchen nicht um Hilfe zu rufen. Hier hört sie niemand und wenn doch... nun,  wer betritt schon freiwillig ein verfluchtes Haus? Sehen Sie, wenn ich Ihnen vor der Eingangstüre gesagt hätte, das Haus sei verflucht, wären Sie mir sicher nicht ins Innere gefolgt,nicht wahr? Nein, ich werde Sie nicht befreien. Wer ich bin? Können Sie sich das nicht denken? Ich bin der letzte Diener der Großherzogin.

Sie fragen sich jetzt sicherlich, was das alles mit der Seele des Hauses zu tun hat, oder? Nun, als die Großherzogin starb, konnte ihre Seele weder in den Himmel, noch wurde sie in der Hölle eingelassen. Was blieb ihr also übrig, als sich dem Haus zu schenken? Ja, Häuser haben Seelen. Manche Häuser haben eine schwarze Seele. So wie dieses. Ich werde jetzt die Falltüre wieder schließen. Keine Angst, es wird nicht lange dauern. Was meinen Sie? Oh, aber das sagte ich doch bereits. Jedes Haus hat eine Seele und diese Seele braucht hin und wieder ein bisschen Nahrung...

In der Tiefe

Ich war mitten in der kleinen Ruine auf der Waldlichtung über die Stufen gestolpert. Es gab einen Zugang zu den Kellern. Doch er war mit Schutt und Erde bedeckt und so musste ich ihn erst mühsam wieder freilegen. Es dauerte fast einen Monat, bis ich es geschafft hatte, alle Steine, Balken und Erdbrocken von der Öffnung zu räumen. Ich war vorsichtig gewesen, hatte weder großes Werkzeug noch andere Männer zur Hilfe genommen und Stein für Stein die verwitterten, zerbrochenen Stufen freigelegt. Ich hoffte auf eine lohnenswerte Entdeckung in den vielleicht noch erhalten gebliebenen Kellern der alten Abtei. Dabei wollte ich keine Zeugen, niemanden, mit dem ich am Ende meine Schätze teilen musste.

Es waren noch ein oder zwei Stunden Tageslicht übrig geblieben, als ich den Zugang so weit von den Abbruchresten befreit hatte, dass ich mich in den Untergrund wagen konnte. Doch ich musste mich noch einen Tag gedulden. Ich hatte zwar eine Schaufel und eine Hacke dabei, aber weder Fackel noch Laterne oder einen Beutel für die Funde, die ich zu machen hoffte. Ich sammelte im Wald einige halb vermodert Äste und Zweige und bedeckte damit den jetzt leicht zu findenden Eingang.

Die Nacht war unruhig und ich wälzte mich in kaum zu zügelnder Vorfreude und banger Hoffnung in meinem Bett hin und her ohne wirklich Ruhe zu finden. Vor dem ersten Hahnenschrei war ich auf den Beinen, packte eine kleine Mahlzeit und einen Leinensack in meinen Beutel, nahm eine Laterne und mein Feuerzeug mit und machte mich auf in den Wald. Eine Stunde brauchte ich bis zum Waldrand und eine weitere halbe Stunde um auf versteckten Wegen und Wildwechseln bis zu der Ruine zu gelangen. Die Kapelle war eine der wenigen Steinbauten des Klosters gewesen. Die Holzhütten der Mönch waren längst zu Staub und Erde zerfallen, nur das Fundament der Klosterküche, des Backhauses und die Ruinen der verlassenen Kapelle waren im Dickicht des Waldes überhaupt noch auszumachen.

Die Sonne war gerade erst über den dichten Baumkronen zu sehen, als ich die Lichtung erreichte. Die Äste bedeckten noch immer unberührt den Eingang zu den Gewölben unter der Kapelle. Ich zog sie zur Seite und entzündete die Laterne, bevor ich mich vorsichtig über die in den Jahren zerfallenen Stufen in die Tiefe arbeitete. Die Treppe führte geradewegs in die Kühle der Erde. An ihrem Fuß konnte ich den Einstieg in diese Unterwelt gerade noch als einen silbrigen Lichtschimmer erkennen, vor mir lag ein langer, dunkler Korridor. Doch das Licht der Laterne reichte nicht bis zu seinem Ende.

Vorsichtig folgte ich den meist zerbrochenen Bodenplatten durch das kalte und unheimliche Gewölbe, das bisher an keiner Seite eine Tür oder einen Abzweig gezeigt hatte. Ich drehte mich noch einmal um, konnte die untersten Stufen der Treppe gerade noch im Licht der Laterne erkennen. Vor mir blieb das Ende des Ganges noch immer unsichtbar. Ich tastete mich unsicher an den klammen Wänden entlang, spürte ihre eisige Kühle unter meinen Fingerspitzen und bemühte mich im Lichtkegel der Laterne zu erkennen, wo der Gang enden würde.

Ich kam nur langsam voran, an einigen Stellen waren Steine aus dem Gewölbe gebrochen. Ich machte mir ernsthafte Sorgen, dass der Gang vor mir irgendwo bereits ganz eingefallen sein könnte und mir den Zugang zu den Katakomben verwehren würde. Ich stieg über zerbrochene Steine, watete durch Pfützen und Schlammlöcher und machte mir zu ersten Mal Gedanken darüber, dass ich den Platz an dem das Kloster einst stand längst hinter mir gelassen haben musste. Warum hatte man diesen Gang angelegt und wo führte er hin.

Langsam wurde mir meine eigene Reise unheimlich und ich spielte gerade mit dem Gedanken, wieder zurück ans Licht zu gehen, als der Gang direkt vor mir einen scharfen Knick nach links machte. Die Neugier siegte über mein Unbehagen und ich folgte dem Gang weiter in die Tiefe. Er hatte ein leichtes Gefälle, war aber deutlich besser erhalten als es der Weg bis hierher gewesen war. Die Wände waren auch trockener und irgendwo her musste Frischluft kommen, denn der leicht modrige Geruch der Erde wich dem Geruch des Wassers. Mir wurde wieder leichter ums Herz, auch wenn eine Rückkehr an die Oberfläche natürlich bedeuten würde, dass ich mit leeren Händen zurückkehren würde und die ganze Arbeit der vergangenen Tage völlig sinnlos gewesen war. Unbewusst strich ich mit den Fingern über die Schwielen an meinen Händen. Ich hatte hart gearbeitet, um hier her zu gelangen.

Einen kurzen Moment glaubte ich Schritte hinter mir zu hören. Erschrocken blieb ich stehen und lauschte. Nichts. Hatten die Wände nur das Tappen meiner eigenen Schritte zurückgeworfen? Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen und schlich ein bisschen weiter. Erst als ich wieder normal ging, kamen die Geräusche wieder. Es mussten meine eigenen Schritte sein, die in dem dunklen Korridor so unheimlich hallten.

Der Gang endete an einer weiteren Treppe. Ein steinerner Türrahmen mit Resten eines eisernen Scharniers zeigte mir, dass dieser Bereich einmal verschlossen gewesen sein musste. In der gegenüberliegenden Steinsäule konnte man noch die Vertiefungen erkennen, in die einmal die schweren Riegel griffen die den Zugang verschlossen. Einzelne Holzreste konnte ich bei genauem Hinsehen noch auf dem Boden des Ganges und den obersten Stufen, der in einer Rundung nach rechts verlaufenden Treppe erkennen.

Ich folgte den Stufen weiter nach unten. Nah wenigen Schritten konnte ich vor mir einen Lichtschimmer ausmachen, aber so tief wie ich unter der Erde war, konnte das nicht sein. Ich tastete mich weiter vor und tatsächlich, in der inneren Rundung der Treppenwände gab es ein kleines Fenster. Drei schmale Säulen trugen zwei Steinbögen, die nicht mehr als eine Spanne groß waren. Gierig atmete ich die frische Luft ein und warf einen Blick in das offene Rund, um das sich die Treppe zu schlängeln schien.

Ich dachte sofort an einen Brunnenschacht, als ich nach oben sah. Dort konnte ich weit über mir ein kreisrundes Loch erkennen, durch das einige wenige Lichtstrahlen den Weg nach hier unten fanden. Am Rand ragten einige Zweige über die gemauerte Einfassung dieses Brunnenlochs, darüber leuchtete der Mond. Konnte es wirklich sein, dass ich schon so lange unter der Erde war, dass ein ganzer Tag vergangen war? In der gegenüberliegen Wand konnte ich ein Stück weit unter mir ein weiteres Fenster erkennen. Ich beschloss also der Wendeltreppe weiter nach unten zu folgen.

Bis die Treppe ein Ende erreichte und vor einer schweren Holztüre endete, kam ich noch an sieben anderen dieser Fenster vorbei und der Blick daraus in das Innere des Schachts zeigte mir, dass ich inzwischen zu tief unter der Erde war, um noch vom Licht des Mondes erreicht zu werden. Dort war es nur noch dunkel. Die Türe vor mir war verschlossen. Ich leuchtete mit meiner Laterne ein bisschen genauer hin und fand einen Riegel, der sich sehr viel einfacher bewegen ließ, als ich erwartet hatte. Auch das Holz der Türe schien noch immer vollkommen in Ordnung zu sein.

Die Türe schwang langsam, aber ohne größere Schwierigkeiten in einen großen Saal auf, dessen gewölbte Decke von dicken Säulen getragen wurde. Der Raum war etwa doppelt so lang wie breit und in gutem Zustand. Der Boden bestand aus bemalten Kacheln und hatte ein Muster aus Blättern und Zweigen. Das Licht meiner Laterne warf unheimliche Schatten der Säulen auf Decke und Wände, ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden, denn ich konnte wegen der Steinsäulen nicht jeden Winkel des großen Raumes sehen. Ich hielt den Atem an und lauschte.

Stille. Meine Sinne hatten mir sicher nur einen Streich gespielt. Oder war mir doch jemand gefolgt? Ein eisiger Schauer lief über meinen Rücken und ich lehnte mich Halt suchend an eine der Säulen. Erst jetzt sah ich, dass die Kapitelle der steinernen Stützen mit schrecklich verzerrten Tierköpfen verziert waren. Der Anblick hatte mich so erschrocken, dass mein Herz aus meiner Brust zu springen schien. Ich versuchte mich zu beruhigen, doch das Spiel der Schatten auf den Köpfen gaukelte mir immer wieder vor, dass die verstörenden Fratzen lebendig waren. Ich war kurz davor, einfach wieder umzukehren, da entdeckte ich eine Türe, die bisher von den Säulen verborgen worden war.

Erleichtert stieß ich sie auf und gelangte in einen weiteren Flur. Doch dieser hatte nicht mehr das Aussehen eines gemauerten Stollens. Viel mehr fühlte ich mich wie in einem herrschaftlichen Haus. In einigen Halterungen an der Wand hingen Fackeln. Nach einer kurzen Überprüfung stellte ich fest, dass sie trocken und noch brauchbar waren und entschloss mich dazu wenigstens zwei davon zu entzünden. Sobald aus dem zuerst nur zögerlichen Flackern eine ordentliche Flamme geworden war, konnte ich vor Staunen keinen Schritt mehr tun.

Die Decke hatte ein dunkles Nachtblau und funkelte von goldenen Sternen. Aufwändig gemeißelte Pilaster unterbrachen die glatte Wand in regelmäßigen Abständen. Eine in Stein gehauene Eichenzweiggirlande zog sich die gesamte Decke entlang. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich kleine Vögel zwischen den Blättern und meine Sinne spielten mir einen Streich, denn ich glaubte das Zwitschern hören zu können. Doch die Vögel waren wie die Girlande aus Stein und leblos.

Wer hatte diesen verborgenen Palast angelegt? Warum führte eine Treppe aus einem verfallenen Kloster hierher? Ich folgte dem Gang weiter, stieß auf mehrere verschlossene Türen, konnte jedoch keine öffnen. Erst bei der achten Türe hatte ich Glück. Sie ließ sich mit ein wenig sanfter Gewalt öffnen. Die Kerze in meiner Laterne war inzwischen erloschen, also blieb mir nichts anderes übrig als eine der Fackeln zu nehmen und mich durch den Türrahmen zu schieben.

Wieder öffnete sich ein großer Saal vor mir. Er war mehrere Stockwerke hoch und von einer Säulenreihe umgeben, der eine Empore trug, die drei Seiten des Raumes einnahm. An der Stirnseite, der Türe genau gegenüber gab es eine weiter Empore, allerdings nur drei Stufen höher als der restliche Saal. In den Ecken neben der Türe gab es zu beiden Seiten eine Wendeltreppe, die ganz offensichtlich den Zugang zu dem umlaufenden Gang in der zweiten Etage führte. Es gab keinerlei Möbel oder Schmuck. Der Stein der Säulen jedoch war poliert, bis er glänzte. Der Raum war Ehrfurcht gebietend, ein Thronsaal ohne Thron, doch ganz offensichtlich ein Raum, der der Verehrung einer Person gewidmet war.

Das Licht der Fackel reichte nicht bis zur Decke des Saales, dennoch konnte ich in ihrem Dämmerlicht die Ausmaße des gesamten Raumes erfassen. Welche Feste mussten hier gefeiert worden sein! Auch hier fand ich mehrere noch brauchbare Fackeln und entzündete sie. In ihrem Licht wurde der Raum immer deutlicher sichtbar. Und er beeindruckte durch seine Schlichtheit viel mehr, als es ein üppig geschmückter Raum getan hätte.

Ich stieg die Stufen am Ende des Raumes empor und schaute zurück auf den Saal und die große Empore. Auf ihr mussten Höflinge gestanden haben während dort wo ich mich gerade befand einmal ein Thron gestanden haben musste. An der Rückwand gab es eine weitere Türe, sie stand offen und gab den Blick auf einen kleineren Raum frei, der wie der zentrale Flur einer ganzen Wohnung wirkt. In allen seinen Wänden gab es mindestens eine Türe. Die meisten konnte ich ohne Werkzeug nicht öffnen, dich ich hatte längst beschlossen, später noch einmal mit den passenden Werkzeugen zurück zu kommen. Dieser unterirdische Palast faszinierte mich und ich wollte ihn vollständig erkunden.

Ich verließ den Thronsaal wieder, suchte den Weg zurück in den ersten Saal, aber welche Türe im Korridor ich auch öffnete, den Saal konnte ich nirgendwo finden. Langsam geriet ich in Panik. Ich war hier viele Meter weit unter der Erde und niemand wusste überhaupt, wohin ich am Morgen aufgebrochen war. Niemand würde mich hier suchen. Nach einer Weile panischen Suchens, wurde mir klar, dass ich nicht einmal mehr wusste, welche Türen ich schon geöffnet hatte und welche noch nicht. Ich machte an jede Türe die ich geöffnet hatte mit einer der noch nicht entzündeten Fackeln ein deutliches Kreuz mit der schwarz verkohlten Spitze. Der Korridor war länger als ich erst angenommen hatte und die Türen nahmen kein Ende. Doch hinter den meisten befanden sich nur kleine Zimmer ohne weitere Türen oder Gänge.

Mit jeder neuen Türe klammerte sich die Verzweiflung stärker um mein Herz. Irgendwo musste doch der Raum mit den schrecklichen Tierköpfen sein. Die nächste Türe. Wieder nichts. Das Kreuz gemacht und weiter. Mit Wucht warf ich mich gegen die verklemmte Türe. Ächzend gab sie nach, doch auch hier gab es nichts als einen kleinen unscheinbaren Raum. Kalte Angst umklammerte meine Brust und langsam begannen die letzten Fackeln zu verlöschen. Würde ich in völliger Dunkelheit einen Ausweg finden können? Ich hatte es ja auch schon im flackernden Licht der Fackeln bisher nicht gefunden.

Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, auch wenn ich daran zweifelte, dass es hier, so tief unter der Erde und so nah an den Pforten der Hölle überhaupt gehört werden konnte. Türe um Türe arbeitete ich mich weiter voran, dann begann auch die letzte Fackel zu flackern und wurde immer dunkler. Verzweifelt stieß ich eine weitere Türe auf und sah im letzten Schein der verlöschenden Fackel eine Stufe. Danach stand ich in völliger Schwärze.

Auf allen Vieren tastete ich mich die Stufen hinauf. Stolperte mehr als zu laufen, schürfte mir Arme und Schultern an den rauen Steinen der Wände auf, aber alles woran ich noch dachte war: raus, nach oben, ans Licht! Ich tapste endlos durch eine Dunkelheit, die mich immer mehr zu verschlingen drohte. Ich glaubte gehässiges Gelächter zu hören und kletterte in Panik weiter die zerfallene Treppe hinauf. Ich spürte sie in meinem Rücken, sie kamen näher, sie würden mich einholen und zurück in die Tiefe zerren. Ich stießt mir das Knie auf und konnte mich nur noch humpelnd Stufe für Stufe weiter nach oben ziehen.

Ich hörte Schritte hinter mir, sie kamen näher. Ich musste weiter, egal wie sehr das Knie schmerzte. Ich konnte nur hoffen, dass die Treppe irgendwie an die Oberfläche führen würde. Doch ich kam nicht so schnell voran, wie ich es wollte. Das Lachen war wieder zu hören und es war nah, viel zu nah. Die Angst verlieh mir Flügel und gerade als ich eine Hand an meinem Knöchel zu spüren glaubte, stolperte ich ins Freie. Ich robbte so weit von der Treppe weg wie möglich, bevor ich mich umdrehte und nach meinen Verfolgern sah.

Doch da war niemand. Ich lag auf dem feuchten Waldboden vor der Treppe in der Ruine, die ich selbst frei geräumt hatte, doch der Zugang war wieder mit Schutt und Steinen verschlossen. Die Sonne wärmte mein Gesicht, ich hörte die Vögel zwitschern und nach ein paar tiefen Atemzügen fiel die Angst wieder von mir ab. Trotzdem konnte ich es nicht erwarten, den Wald endlich zu verlassen. Er war mir fremd und unheimlich geworden. Ich erreichte den Weg nach wenigen Minuten und freute mich auf mein Heim. Dort würde ich sicher sein und nie wieder ein Wort über den heutigen Tag verlieren.

Ich bog um die Ecke und warf einen Blick auf mein Haus, doch was ich sah, erschreckte mich. Dort befanden sich nur noch die verfallenen Reste der kleinen Kate von der ich am vergangenen Morgen aufgebrochen war. Das Dach war eingestürzt, die Wände verfallen und auch der Garten war verwildert. Das konnte nicht in einer einzigen Nacht geschehen sein. Ich war durstig und fand wenigstens den Brunnen noch in einem guten Zustand vor. Langsam zog ich den Eimer an der langen Kette nach oben und schöpfte mir etwas von dem kalten, klaren Nass ins Gesicht, bevor ich einen Schluck aus dem Eimer nahm und meinen Durst löschte. Ich stellte den Eimer auf den Brunnenrand und sah nachdenklich auf die Reste meiner Heimstatt.

Was war geschehen? Mein Verstand konnte keinen Sinn in die vielen Dinge bringen, die meine Augen sahen. Nach einer Weile trat ich wieder an den Brunnen zurück und sah, wie sich mein Gesicht im Wasser des Eimers spiegelte. Es war das Gesicht eines alten Mannes mit schlohweißen Haaren.

Das Buch von Mantigoé (Arbeitstitel: Neue Welt) Töchter der Nacht

Sie trafen sich auf einer kleinen Lichtung im Wald. Ein kreisrunder Platz, nur mit niedrigem Gras und Moos bewachsen. Sanft fiel das Mondlicht auf das satte Grün des weichen Bodens. Nur das düstere Dickicht der umstehenden Bäume konnte auch der Mond nicht erhellen.

 Als sie die Lichtung unter dem wolkenlosen Sternenhimmel betraten, verstummte das leise Rascheln der Blätter. Aus dem Wald traten andere wie sie. Frauen jeden Alters, doch alle mit dem unwiderstehlichen Drang diesen Platz aufzusuchen. Wortlos bildeten sie einen Kreis.

Nyra schloss die Augen und es war als ob die Stille zu ihr spräche. UngehörteWorte, die sich in ihrem Kopf formten. Wie in Trance sprach sie die Worte mit. Erst still, nur mit den Lippen, dann immer lauter. Und ihre Schwestern taten es ihr gleich...

        "Wir sind die Töchter der Nacht, die Kinder des Mondes, nur er gibt uns Kraft."

Wie ein magsiches Mantra wiederholten sich die Worte immer wieder. Nyra fühlte sich eins mit den anderen, fühlte sich in die Luft gehoben, leicht und zugleich völlig geborgen und sicher. Sie war Teil eines Ganzen. Eine Erkenntnis, die sie zutiefst erschütterte und gleichzeitg unendlich glücklich machte.

Sie spürte das feuchte warme Gras unter ihren Füßen, öffnete die Augen und sah, dass die Bäume am Rande der Lichtung mit Ihren Stämmen und Ästen Säulen und Bögen bildeten, eine Kathedrale aus Holz und Laub.

Ihre Schwestern richteten ihre erstaunten Blicke genauso zum Himmel, wie Nyra es tat. Ein sanfter, warmer Strahl reinen Mondlichtes erhellte den Tempel und ließ ihre Gesichter aufleuchten. Nyra fühlte eine neue, unbekannte Kraft in sich und begriff, was es bedeutete, eine Tochter der Nacht zu sein.

Sie würde nie wieder schutz- und hilflos sein!

Einsamkeit

Leere.
Nichts.




Angst.
Verlassenheit.
Unsicherheit.
Resignation.




Selbstaufgabe.
Verzweiflung.
Sinnsuche.





Erkenntnis.
4 Fragen.





Keine Antwort.

Sommernachtstraum

Der Tag war viel zu warm. Hochsommer im Frühling. Selbst im Schatten war es schon zu warm, um noch angenehm zu sein. Wir hatten schnell die Klamotten abgelegt, als wir in den Garten gingen. Er lag noch auf seiner Liege in der Sonne, während ich meine Beine in den Schwimmteich baumeln ließ, um mich ein bisschen abzukühlen.

Ich genoss die Kühle des Wassers und merkte nicht, dass er sich an mich herangeschlichen hatte. Und als ich es merkte, war ich auch schon auf dem Weg ins Wasser. Ich tauchte unter, drehte mich um und schwamm an den Rand. "Du Blödmann!" Er reichte mir die Hand, um mir aus dem Becken zu helfen, aber ich zog ihn einfach mit ins kühle Nass. Wir tollten eine Weile wie kleine Kinder im Teich.

Es war einfach schön, wurde aber doch ein kleines bisschen kalt. Immerhin war noch immer Frühjahr und nicht Sommer. Das Wasser hatte sich noch nicht aufheizen können. Wir beschlossen, uns zum Trocknen eine Weile in die Sonne zu legen. Er hat so eine riesengroße Liege für zwei und als er so neben mir lag, schmiegte er sich nach einer Weile eng an meinen Rücken.

Ich ließ es geschehen und genoss das Gefühl, in seinen Armen sicher und geborgen zu sein. Ich spürte die warme Sonne auf meiner Haut, seine Hand an meiner Hüfte, seinen Körper in Löffelchenstellung hinter mir. Ich wäre fast eingeschlafen, wenn ich da nicht noch etwas anderes in meinem Rücken gespürt hätte. Bevor ich noch etwas sagen konnte, küsste er meine Schulter. "Darf ich?"

Hätte ich nein sagen sollen? Ich ließ ihn gewähren, ließ ihn meine Haut streicheln, und als er mich dann sanft auf den Bauch drehte, war ich längst bereit. In der warmen Sonne ließ ich mich von ihm nehmen, genoss seine Zärtlichkeiten, seine Kraft und Hingabe und schlief hinterher glücklich in seinen Armen ein.

Böse Überraschung

Da mache ich mir doch die Tage mal was schnelles in der Mikrowelle warm. Ein Reisgericht. Also so ein schneller Mikrowellenreis im Aufreißbeutel. Nunja. Die Sorte war "indisch" und es roch auch sehr verführerisch.

Und es sah auch gut aus. Also rein optisch hatte ich da nen ganzen Teller voll Reis vor mir, deutlich gelb gefärbt, sehr würzig und auch lecker. Ich hab mir den Reis auch schmecken lassen. Nur habe ich den Fehler gemacht, im Nachhinein die Zutatenliste zu lesen. Nicht, dass ich da hunderte E-Nummern gefunden hätte oder sonstiges giftiges, potentiell krebserregendes Zeug.

Ich muss auch zugeben, dass ich es erst beim zweiten Lesen wirklich bemerkt habe: laut Aufdruck enthielt das, was ein ganzer Teller Reis auf aussah,  gerade mal  36%  Reis. Woraus die restlichen 64% waren, ist leider nicht vermerkt, denn das muss mehr gewesen sein, als die dort aufgeführten Gewürze.

Auf der Vorderseite war von "reich an Ballaststoffen" die Rede... ich hoffe inständig, dass die 60% Auffüllmenge Weizenkleie war oder was ähnliches. Und nicht Plastik, Styropor oder sowas ;-)

Aber ist es nicht Erschreckend, dass ein MikrowellenREIS der Firma REISfit zu gerade mal einem Drittel aus Reis besteht??? Ich kauf in Zukunft nur noch den von Onkel Ben, da steht drauf dass mindestens 98% des Inhaltes Reis sind...



Die Bushaltestellen-Theorie

Bis heute war mir gar nicht bewusst, dass ich sowas mal aufgestellt habe, also zumindest hatte ich ihm den Namen noch nicht gegeben... ich hatte nur die Behauptung aufgestellt, dass man, wenn der eigentliche Zielort genau zwischen zwei Bushaltestellen liegt, eher dazu tendiert, an der ersten Haltestelle auszusteigen und den Rest des Weges zu gehen, als an Ziel vorbei zu fahren und die gleiche Strecke zurückzugehen.

Ich hab keine Ahnung, ob das stimmt, aber ich hab mich mal selbst beobachtet und drauf geachtet: ich mache das tatsächlich so... machen das alle? Die meisten, denen ich davon erzählt habe, haben mich bisher bestätigt. Aber es mag Ausnahmen geben...

Die Weihnachtsbaumkatastrophe

Gestern abend kam ein Anruf. Meine Mutter. Ob wir mal vorbei kommen könnten, mit ihr den Weihnachtsbaum beweinen. Der sei eine einzige Katastrophe. Und wenn es etwas gibt, was meiner Mutter an Weihnachten wichtig ist, dann auf jeden Fall ein großer, buschiger, schön geschmückter Baum im festlich dekorierten Zimmer.

Nun ja, wir machten uns also auf den Weg zu ihr. Ich hab schon lange keinen so unglaublich perfekt gewachsenen Weihnachtsbaum mehr gesehen. Einfach toll, jeder Ast an der richtigen Stelle, der Duft von Tannen im Raum und auch wunderschön geschmückt. Ich war gerade dabei, den Baum in den höchsten Tönen zu loben, weil er so toll gelungen war, als meine Mutter meinte: warte mal ab, das zum Heulen kommt noch!

Und dann machte sie das Licht aus. Im dunklen Wohnzimmer erstrahlten etwa 20 kleine Lichtpunkte. Vom Baum allerdings und von dem ganzen glitzernden Schmuck war nichts zu sehen. Gar nichts. Nicht mal das kleinste Glitzern einer Christbaumkugel. Selbst ein einzelnes Teelicht im finstersten Wald hätte mehr gebracht...

Und dabei waren die kabellosen LED-Weihnachtskerzen so sauverdammt teuer. Und so schön einfach im Baum zu verteilen...

Das Ende vom Lied: wir haben den Baum entschmückt, die LED-Kerzen wieder gegen die althergebrachten Lichterketten ausgetauscht und den Schmuck neu auf die Zweige verteilt. Jetzt erstrahlt der Weihnachtsbaum endlich wieder in dem Glanz, der ihm gebührt...



...und Weihnachten ist vorerst gerettet^^

Das Buch von Mantigoé (Arbeitstitel: Neue Welt)

...aber wirklich unbemerkt hatte er die Stadt doch nicht verlassen. Nur hätte er in dem Rabenpaar, das seinem schaukelnden Wagen folgte, nicht die Augen des Feindes erwartet.. Und er hätte auch nicht im Traum daran gedacht, dass es die Tiere des Waldes waren, die seinen Weg durch den Trauerforst überwachten. Doch waren die Raben die Boten des Bösen, so waren die Tiere des Waldes die Armee des Guten. Solange sie ihn im Auge behielten würde ihm nichts geschehen. 

Der Trauerforst hatte seinen Namen nicht von ungefähr. Er war einer der dunkelsten und ursprünglichsten Wälder des Landes, voller Magie und unheimlicher Wesen. So mancher Wanderer, der hier vom Weg abkam, kehrte nie aus dem Wald ans Tageslicht zurück.

Maritt fiel die Dunkelheit nicht weiter auf, denn in seinem Herzen war genug Licht und Freude, das Buch aus der Stadt geschafft zu haben. Auf seinem Weg zum roten Turm würde ihn nichts mehr aufhalten, da war er sich sicher. Doch in Wahrheit lauerten tausend Augenpaare im Dunkel, die alle die Anwesenheit der Magie spürten, die das Buch ausstrahlte. Eine große Gefahr, wären nicht die Tiere des Waldes gewesen, die diese Wesen im Zaum hielten. Vielleicht war es besser, dass Maritt nichts von der Bedrohung hinter den dichten Bäumen wusste. So verlässlich er war, so einfach war sein Gemüt und sein Aberglaube war groß.

Der rote Turm erhob sich am Horrizont bereits aus den Bäumen, sein Ziel vor Augen trieb er die Pferde an.



Kapitel 2

Und es gab noch jemanden, der wusste, dass das Buch auf einer neuen Reise war. Selbst mit dem besten Pferd wäre ein Reiter in frühestens 5 Tagen an dem Ort angekommen, wo die Bewegung des Buches aus seiner sicheren Umgebung heraus bemerkt worden war.

Und alles nur, weil ein Tropfen kostbaren Blutes in das Tintenfässchen getropft war, mit die alten Magier das Buch geschrieben hatten. Die Bindung war eng genug, um den Weg des Buches überall hin verfolgen zu können, ja selbst eng genug, um zu spüren, wer das Buch gerade in seinen Händen hielt, wessen Finger die Zeilen markierten, auf denen die Augen dessen ruhten, der in den alten Sprüchen zu lesen verstand.

Und was Malina bisher vor ihrem geistigen Auge gesehen hatte, brachte sie nicht aus der Ruhe. Das Buch war nicht mehr in Sicherheit, doch auch nicht in Gefahr. Und in ihrem Alter regte man sich nicht mehr gleich auf, wenn etwas nicht so lief, wie es vorhergesehen war. Zumal sie die einzige zurückgebliebene war. Ein letzter Wächter zum Leben in einem Versteck verdammt, da die Menschen sie töten würden.

Warum sich meine Geschichten vrselbständigen...

Ich habe ein großes Problem bei meinen Geschichten. Immer wenn ich eine neue Figur erschaffe - und sei es auch nur eine Randfigur - dann habe ich dazu nicht nur das Aussehen im Kopf, sondern den passenden Charakter, ein Verhaltensmuster... meist sogar eine ganze Geschichte... einen Lebenslauf.

So geht es mir gerade wieder mit meiner Geschichte über das Buch von Mantigoé. Da habe ich einen neuen Charakter eingebaut. Und prompt hat sich das ganze verselbständigt und ich habe statt der Fortsetzung zu der Ursprungsgeschichte eine eigenständige Geschichte zu der Person und ihrer Verstrickung mit dem magischen Buch angefangen... und leider ist das alles viel zu groß, um "nur" ein Kapitel des Ursprungstextes zu werden, es ist tatsächlich eine eigene Geschichte...

Ich bin nur froh, dass nicht nur mir so etwas passiert. Im Grunde genommen ist es bei mir so, als würde ich an meinem "Der Hobbit" arbeiten, obwohl es doch ein Teil von "Der Herr der Ringe" sein sollte. Ich habe also neben der Geschichte, die ich eigentlich begonnen habe, eine Art Vorgeschichte geschrieben. Leider bedeutet das aber auch, dass ich mit meiner Hauptgeschichte nicht wirklich weiterkommen werde in nächster Zeit. Viel schlimmer noch... es sind in dieser Vorgeschichte neue Figuren aufgetaucht, von denen einige wieder eine eigene Geschichte zu erzählen hätten.

Aber kann man seiner Kreativität denn Zügel anlegen? Hört man nicht auf, kreativ zu sein, wenn man diese Nebengeschichten einfach weglässt??? Ich hab nämlich versucht, das zu tun... diese Figuren zu benutzen, ohne mich näher mit ihnen zu beschäftigen... es funktioniert nicht. Es liest sich einfach falsch... man glaubt die Handlung nicht mehr, alles wirkt kalt, gestellt und unglaubwürdig... die Figuren sind auf einmal in ihrer Handlungsweise nicht mehr stimmig.

Ich zeichne zu jedem Ort in meinen Büchern Skizzen, baue die Häuser, Plätze, Landschaften, virtuell oder aus Pappe... Ich brauche das, um mich zu vergewissern, dass etwas, was ich schreibe auch tatsächlich so funktionieren würde. Es gibt das Torhaus aus der Geschichte von Mantigoé, es gibt den roten Turm, es gibt den stillen Waldtempel... all das habe ich schon gebaut und beschrieben...

Kalt

Kalt.
Arktis in seinem Herzen.
Frostiger Wind in seinem Kopf.
Gedankenlosigkeit.
Leere.
Ein Eisblock.
Gefühllos.
Gleichgültig.

Und aus der Tiefe dringt etwas ans Licht.
Ein Glimmen.
Ein Funke.
Explodierender Hass.
Gewalt.
Kribbeln in den Fingerspitzen.
Der Geruch von Blut in der Luft.

Der Wunsch die Angst in meinen Augen zu sehen.
Zu sehen, wie ich begreife, dass es kein Entrinnen gibt.
Wie ich abschließe mit meinem Leben.
Wie das Leuchten meiner Augen stirbt.

Der Moment in dem sein Spass schon fast zuende ist.
Der Punkt ohne eine Wiederkehr.
Der Schritt, den keiner ungeschehen macht.
Der Moment in dem ich aufgebe.
Mich füge.
Widerstandslos.
In dem ich alles aufgebe, was vor diesem Moment eine Rolle gespielt hat.









Wenn das Liebe ist...

Wenn ein Blick mehr sagt, als tausend Worte,

wenn eine Berührung dir zeigt, dass du angekommen bist,

wenn du dich zum ersten Mal in deinem Leben vollkommen fühlst,

wenn du weißt, das nichts mehr deine Welt erschüttern kann,

wenn du ein Lächeln auf den Lippen trägst, wann immer du an ihn denkst,

wenn sich deine Gedanken nur um den Moment drehen, an dem du ihn wiedersiehst,

wenn dein Herz klopft, während du auf dem Bahnsteig auf ihn wartest,

wenn seine Gegenwart das Glück vollkommen macht.




Ja, dann ist es Liebe.

Fehler...

... die noch zu begehen sind und solche, die bereits begangen wurden. Jeder Mensch macht im Laufe seines Lebens einige Fehler. Die einen mehr, die anderen etwas weniger. Manche Fehler passieren einfach, unvorhergesehen, ungeplant. Andere hingegen, werden ganz bewusst begangen, oder sind zumindest mit einer übermäßigen Risikobereitschaft behaftet.

Einen solchen Fehler begehe ich gerade auch. Ich spiele mit dem Feuer. Ich habe mich auf ein Spiel eingelassen, zu dem ein anderer die Regeln schreibt. Im Augenblick scheine ich diese Regeln zu kennen und fühle mich ziemlich siegessicher, aber ich habe schon einmal erlebt, wie er die Regeln mitten im Spiel geändert hat. Ich bin vorsichtig, spiele taktisch, aber ich kann nicht vorhersagen, welche Zahl auf dem Würfel als nächstes fällt und in welcher Weise das den Lauf des Spieles verändern wird.

Vor allem aber, bin ich mir noch nicht sicher, ob wir miteinander oder gegeneinander spielen. Vielleicht spielt er auch nur mit mir. Vielleicht bin ich nicht Akteur in seinem Spiel, sondern nur eine Figur, die er auf seinem Spielbrett an die gewünschte Stelle rückt. Wenn wir miteinander spielen, dann ist alles in Ordnung. Spielen wir gegeneinander, werde ich das Spiel aufgeben. Und wenn er tatsächlich nur mit mir spielt und mich manipuliert, dann weiß ich schon jetzt, dass ich verloren habe.

Teddy - eine traurige Bärengeschichte

Dunkel war es. Teddy wusste nicht, wo er war. Das war alles so fremd. Und es war so kalt hier. Vorsichtig sah Teddy sich um. In den Ecken standen aufeinandergestapelte Kartons. Alles wirkte so verlassen und Teddy fühlte sich auf einmal sehr alleine.

Aber das war er gar nicht, denn aus einem der Kartons beobachtete ihn jemand. Teddy zuckte erschrocken zusammen, als es in der Kiste im hintersten Eck plötzlich rumpelte. Ängstlich sah er nach, was ihn da wohl so aufgeschreckt hatte. Vorsichtig sah er über den Rand der Pappschachtel und sah... einen andern Plüschbären.

"Oh, wer bist du denn?", fragte Teddy verblüfft.
"Ich? Ich heiße Knuddel.", antwortete darauf hin der nicht weniger überraschte Bär in der Schachtel.

Teddy half Knuddel aus seinem Karton und die beiden Bären beäugten sich neugierig.

"Wo kommst du denn her?", fragte Knuddel.
"Aus dem Kinderzimmer. Aber als ich heute morgen wach wurde, lag ich dort hinten neben der alten Nähmaschine."

Teddy sah ein bisschen traurig aus und staubig, genau wie Knuddel.

"Früher," sagte Knuddel, "da lebte ich auch einmal in einem Kinderzimmer. Aber das ist lange her, damals war ich noch ein junger Teddybär. Und die Kinder spielten noch mit mir. Aber sie wurden älter und immer öfter lag ich einfach nur auf dem Bett."

Knuddel seufzte und Teddy streichelte ihm über den Arm. "Und dann wurde ich eines Tages hier oben wach. So wie du, Teddy. Wir sind vergessene Bären."

"Vergessene Bären?", fragte Teddy. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Kind ihn vergessen haben könnte. Und das sagte er Knuddel auch.

"Kinder werden irgendwann Erwachsene, Teddy. Und ein Erwachsener braucht keinen Teddybären mehr.", sagte Knuddel traurig.

"Aber wem erzählen sie dann ihre Geheimnisse? Wer tröstet sie, wenn sie traurig sind? Wer wärmt sie nachts im Bett?", fragte Teddy ganz verzweifelt.

Knuddel sah ihn lange an, bevor er antwortete: "Das weiß ich nicht."

Die beiden Plüschbären blieben eine ganze Weile stumm. Teddy dachte darüber nach, was Knuddel gesagt hatte und nach vielen Gedanken stellte er endlich die Frage, vor der er sich auch ein kleines Bisschen gefürchtet hatte: "Knuddel? Wie lange bist du denn schon hier?"

"Viele Jahre. Sehr viele Jahre. Sie waren Kinder, als ich zu ihnen kam und wurden erwachsen, bekamen Kinder und deren Bär, warst wohl du, Teddy.", meinte Knuddel.

Teddy konnte sich eine so lange Zeit gar nicht vorstellen und das erschreckte ihn noch mehr. Solange sollte er hier oben auf dem kalten Speicher leben? Vielleicht für immer? Daran wollte Teddy lieber nicht denken.

"Bestimmt wird man uns wieder holen, wenn es neue Kinder gibt!", sagte Teddy um sich selbst ein bischen Mut zu machen.

Knuddel sah ihn nachdenklich an: "Vielleicht." Aber wirklich glauben konnte er es nicht. Schließlich hatte man ja statt ihn vom Speicher zu holen, den Kindern einen anderen Bären geschenkt: Teddy.

Die beiden Bären schwiegen wieder. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach...

Erinnerungen...

Ich hatte eigentlich vor, etwas über Sven zu schreiben. Aber was auch immer ich schreiben könnte... es würde niemals wiedergeben, was ich in meinem Herzen trage. Für mich wird die traurigste Erinnerung immer die an den Moment sein, in dem er mich das letzte mal angelächelt hat...



PROLOG


If I had a box just for wishes
And dreams that did never come true
The box would be empty
Except for the memories
Of how they were answered by you…

Ich werde den Moment nicht vergessen, an dem er ging. Dieser Augenblick, an dem die Welt plötzlich aufhörte sich zu drehen. Es war nicht immer einfach mit ihm, nicht immer schön… und trotzdem: Jede einzelne Sekunde mit ihm ist in meinem Herzen etwas besonderes. Man glaubt immer, das Zeit etwas endloses ist. Wenn eine Sekunde vergangen ist, was macht das schon? Es gibt ja immer wieder eine neue. Allerdings nur, bis seine Zeit abgelaufen war.

Aber ich greife der Geschichte voraus. Das hätte ihm nicht gefallen.


Weiter bin ich nie gekommen, bei dem Versuch unsere Geschichte aufzuschreiben. Was könnte ich auch groß schreiben, kann ich doch in Worten niemals ausdrücken, was dieser Kerl alles mit mir angestellt hat. All die verrückten Dinge, die er mir gezeigt hat, auch wenn jeder Tag seine Schattenseiten hatte. Trotzdem: er wird immer einen Platz in meinem Herzen haben.

Die Nacht

Die Nacht, so dunkel, um mich wallend,
von Angst befallen bis ins Mark,
vor ihm auf die Knie fallend,
Geste, die noch Hoffnung barg...

Sein Schlag, der Schmerz,
dann endlich Ruhe,
tonlos weicht der Mensch ein Stück.
Der Schmerz, er geht,
doch bleibt für immer
in der Seele Schmerz zurück.

Das Buch von Mantigoé (Arbeitstitel: Neue Welt)

Prolog

Zitternd stand er am Abgrund. Seine Augen starr auf den Horizont gerichtet, damit er die Tiefe vor sich nicht sah. Ein eisiger Wind blies ihm ins Gesicht, doch er war so von seinen Gedanken gefesselt, dass er nicht einmal mehr fror. Er stand an der Schwelle einer neuen Welt, an einem Übergang, den er nur wagen musste. Nur ein Schritt weiter. Und dann? Was erwartete ihn auf der anderen Seite? Würde dort sein Schicksal auf ihn warten?
So war es ihm schließlich prophezeit worden.
Sein Brustkorb hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Tief. Kalt. Erfrischend. Dann schloss er die Augen und verbannte alle Gedanken an die Welt die er hinter sich lassen würde. Er sprang.

Kapitel 1: Das Buch von Mantigoé

Wann immer sich Maritt an den Gegenstand erinnerte, der unter dem doppelten Boden seines Fuhrwerkes versteckt war, sah er seinen Hals schon in der Schlinge stecken. Bücher waren verboten. Und dieses Buch hatte die Kraft, die ganze Welt, die er kannte, in einen Abgrund zu stürzen, wenn es in falsche Hände geriet. Sollte man ihn damit erwischen, war das sein Todesurteil und das der meisten anderen vom Volk der Perawor.
Er hatte das Stadttor schon fast erreicht. Normalerweise wurden die Bauern auf dem Weg zurück in ihre Dörfer nicht sonderlich gut kontrolliert, doch bei seinem Glück würde er an einen besonders gründlichen Wachposten geraten. Maritt wurde nervös, und er wusste, dass es genau das war, was die Wache erst auf ihn aufmerksam machen könnte. Er bemühte sich, nicht an das Buch zu denken, doch es kam ihm so vor, als würde nicht der schmale ledergebundene Band aus der Feder der alten Magier im Geheimfach hinter seinem Rücken liegen, sondern das Tor zur Hölle. Er meinte sogar, die Hitze der Schwefelfeuer zu spüren und begann zu allem Unheil auch noch zu schwitzen.
Und tatsächlich stellte sich ihm einer der bewaffneten Wächter in den Weg. Sofort hielt Maritt sein Pferd an und betete inständig, dass sie nicht auch noch seinen Wagen durchsuchen würden.
„Was habt ihr auf dem Wagen, Bauer?“
„Nichts. Nur die Reste vom Gemüse für den Markt.“
„Nicht alles verkauft?“
„Nein.“
„Lasst mal sehen!“
Noch bevor Maritt etwas dagegen tun konnte, hatte der Soldat mit seinem Speer die Plane angehoben und begutachtete, was auf der Ladefläche zu finden war. In diesem Moment war er dem pedantischen Sortas dankbar dafür, dass er darauf bestanden hatte, die Tarnung so perfekt wie möglich zu gestalten.
„Den Kohl nehm ich für die Turmküche, Bauer.“
„Nehmt nur, nehmt! Was soll ich denn mit soviel Kohl alleine anfangen.“
Er sah zu, wie drei der leicht angeschlagenen Kohlköpfe durch die Luft flogen und war erleichtert, als er danach durch das Tor gewunken wurde. Froh die Stadt endlich hinter sich lassen zu können, pfiff er ein Liedchen vor sich hin. Seine Tarnung als Bauer war gut genug gewesen, die Torwache zu täuschen, aber... [Fortsetzung folgt]

Das alte Volk, Szene 1


Yobaba wollte es auf einen ersten Versuch ankommen lassen. Und so begleitete sie Lellwyn auf einem ihrer Spaziergänge durch die unterirdische Stadt. Scheinbar ziellos schlenderten die beiden äußerlich so ungleichen Frauen durch das gesamte Labyrinth der Höhlen bis Yobaba Lellwyn auf ein Loch im Boden hinwies.
„Siehst du, daher kommt die Wärme, die wir hier unten ja schlecht von der Sonne erhalten können.“
Noch immer hatte Lellwyn große Schwierigkeiten, ihre alte Muttersprache zu verstehen, zu lange hatte sie nur unter Menschen gelebt und all die Worte vergessen, die sie mit ihrer Mutter und dem alten Volk der Rasna verbunden hatten.
„Diese Löcher reichen bis tief in die Erde. Dorthin, wo alles Feuer und Lava ist.“
Lellwyn konnte die Hitze spüren, die aus der dunklen Tiefe nach oben stieg, doch konnte sie in dem dunkeln Loch so etwas wie Feuer nur erahnen, wie ein fernes Flackern, lautlos.
„Spürst du es?“
„Ja. Ein komisches Gefühl. Es ist fast so, als… würde es mich näher ziehen…“
Yobaba lächelte.
„Dann wird es vielleicht Zeit, dass du die alten Kräfte einmal in dir wachrufst.“
Lellwyn hatte keine Ahnung, was die alte Hexe damit meinte, aber ihre tiefe Verbundenheit zu der ungewöhnlichen Frau ließen sie nur einen sehr kurzen Moment zögern.
„Stell dich hier vor mich und schließe die Augen…“
Yobaba schon sie bis nah an den Rand der Öffnung.
„Kannst du die Wärme spüren? Auf deiner Haut? Und in deinem Blut?“
Tatsächlich hatte Lellwyn das Gefühl, dass ihr Blut im Takt der Hitzewellen pulsierte.
„Spüre die Kraft des Feuers. Lass es einfach durch dich hindurchfließen.“
Und Lellwyn ließ es geschehen. Vor Ihren Augen sah sie schillernde Farben. Rot, orange, gelb, strahlendes gelb. Sie spürte ein leichtes Kribbeln in ihren Fingerspitzen und streckte wie in Trance ihre Arme in Richtung der Bodenöffnung aus. Sie konnte das Feuer spüren, seine Wärme, seine unbändige Kraft.
Als sie die Arme nach oben hob, schnellte eine riesige Feuersäule zur Höhlendecke. Lellwyn riss die Augen auf und starrte erstaunt auf das, was sie eigentlich nur in Ihren Gedanken erwartet hätte, nicht aber in der Wirklichkeit, aber die Feuersäule war da. Erschrocken senkte sie die Arme und das Feuer wich wieder an den Ort zurück, aus dem sie es hervorbefohlen hatte, tief in den Kern der Erde.
„Ich wusste sofort, dass du es kannst!“
Fragend blickte sie in das Gesicht der Frau, deren Lippen ein triumphierendes Lächeln umspielte.

Eine kleine Geschichte

Es waren ihre lieblichen Blütenblätter, die die Nachtigall mit der Rose in Liebe fallen ließen.
Jeden Abend sang sie ihr Lied nur für die weiße Rose. Und diese lauschte ihrem wundervollen Gesang an jedem Tag aufs neue. Es dauerte nicht lange, bis die beiden sich näher kamen und die Nachtigall der Rose zärtliche Liebesworte ins Ohr flüsterte. Die Rose streichelte das weiche Gefieder der Nachtigall mit ihren duftenden Blütenblättern. Es war eine reine Liebe.
Doch gefiel sie den Mächten nicht, die diese Welt geschaffen hatten, denn diese Liebe zerstörte die von ihnen gegebene Ordnung. Um sich der Liebe in den Weg zu stellen, beschlossen die Mächte, der Rose etwas zu geben, das es der Nachtigall unmöglich machen sollte, ihr weiter Liebesworte in das Ohr zu zwitschern.
Die Rose bekam Dornen.
Nun sang die Nachtigall ihr Lied nur von weitem für die Rose, weil sie nicht mehr in ihren Zweigen landen konnte. Ihre Lieder klangen traurig und rührten jeden, der sie hörte. So sehr verzehrte sich die Nachtigall nach den zarten Berührungen der Rose, dass sie sich eines Tages in das Dornengestrüpp stürzte, um ihr wieder nahe sein zu können.
Die Dornen rissen an ihren Federn und bohrten sich in ihren Körper, doch auch wenn das ihren Tod bedeutete, bereute die Nachtigall ihre Entscheidung nicht, starb sie doch in den Armen ihrer geliebten Rose. Ihr Blut färbte die weißen Blütenblätter der Rose rot.
Um sich immer an die Liebe der Nachtigall zu erinnern, beschloss die Rose, dieses Rot als ihre Trauerkleidung zu behalten.
In Erinnerung an diese große Liebe sind die Nachfahren der Rose bis heute rot und das Lied der Nachtigall noch immer ein Lied von Liebe und Trauer.

Fragment, Seeszene

Ich habe lange am Rande des Sees gesessen und auf seine spiegelglatte Oberfläche gestarrt. Es stimmt schon, was man über den See sagt. Er raubt einem alle Hoffnung. Das Wasser schimmert schwarz und scheint mich zu rufen. Ich soll eintauchen in seine dunklen Tiefen, die kein Lichtstrahl je erreichen wird. Aber seine Kälte stößt mich ab.
Eirik sagt, dass er aus all den vergossenen Tränen besteht, die aus Leid und Trauer geflossen sind. Und je länger ich hier sitze, umso mehr fühle ich, dass er Recht hat. Der See wirkt wirklich sehr traurig.
Über mir strahlt der Himmel von tausend Sternen wieder, aber im See spiegelt sich nicht ein einziger davon. Nicht einmal der Vollmond kann mit seinem Licht diese Dunkelheit durchdringen.
Ich kann diese Stille nicht mehr ertragen und werfe einen Kieselstein in das völlig unbewegte Wasser. Ein dumpfes „Plopp“ und schon haben die schwarzen Wogen den kleinen weißen Kiesel verschluckt. Langsam läuft ein Wellenring zu den Ufern, danach ist das Wasser wieder still. Jeder Hinweis auf den Stein, der die Oberfläche durchschlagen hat, wieder verschwunden. Als ob es den Stein nie gegeben hätte.
Überhaupt ist es hier verdammt still. Auch im wärmsten Sonnenschein hört man hier keine Vögel zwitschern. Und in dieser Nacht ist nicht das kleinste Rascheln in den Bäumen und auf dem Boden zu hören.
Oerdal hat behauptet, dass das Wasser des Sees keine Boote trägt. Wenn ich so darüber nachdenke, dann scheint mir das glaubhaft. Der Boden rings um den See ist voller Blätter und Zweige von den alten Eichen, die seine Ufer säumen, doch auf dem Wasser schwimmt nicht ein einziges Blatt.
Ich möchte fühlen, ob es sich anders anfühlt, dieses alles verschlingende Nass. Ich möchte meine Finger über das Wasser gleiten lassen und dann eintauchen, um zu spüren, ob es wirklich so kalt ist. Ich hocke mich gerade hin, als Zeus ein laut vernehmliches Wiehern ausstößt. Beinahe hätte ich alles um mich herum vergessen.
Ich hatte Zeus schon einige Meter vor dem See an einen Baum gebunden, weil er scheute und sich keinen Schritt weiter auf das unheimliche Gewässer zu bewegen wollte. Und jetzt war es sein lautes Schnauben, dass mich vor der vernichtenden Kraft des Teiches rettete.
Ich stand wieder auf und ging zu meinem treuen Hengst. Bevor ich durch den dichten Eichenwald zu meinem geliebten Pferd gehe, werfe ich noch einen kurzen Blick zurück auf die schwarzen Fluten und erhasche so gerade noch einen kurzen Blick auf eine weiße Wölfin, die mich vom gegenüberliegenden Ufer des Sees ins Auge gefasst hat. Ihr Blick hat fast etwas menschliches. Mir läuft ein kalter Scheuer über den Rücken.
Mich treibt es zurück in den Palast, an ein warmes Feuer im Kamin der großen Halle und so schwinge ich mich auf meinen Zeus und reite zurück in die sichere Festung hoch oben über dem See.