Das
grelle Licht der brennenden Mittagssonne brach unerbittlich in die
Stille des menschenleeren Kreuzganges und malte mit den steinernen
Säulen des Innenhofes gleichmäßige Muster auf den dunklen
Granitboden. Der kühle Sandstein der Wände jedoch sperrte die
sengende Hitze der Mittagsstunde aus. Das Kloster lag still und
verlassen und nur das sanfte Tapp, Tapp seiner Schuhe auf dem
steinernen Boden begleitete seine Schritte durch die endlosen Gänge
der Anlage.
Der
ständige Wechsel zwischen gleißendem Licht und der überall
zwischen den Steinsäulen lauernden Düsternis machte seinen
geröteten Augen zu schaffen. Er fühlte sich lange schon zu alt für
den Dienst in diesem verstaubten Museum. Die bedrückende Stille
hatte sich nach der Katastrophe wie ein dichter Schleier über die
ganze Welt gelegt und war auch durch die Zimmer und Korridore des
ehemaligen Klosters eingezogen, als die Menschen ausblieben. Wem
stand nach einem solchen Blutbad schon noch der Sinn nach Kunst und
Architektur? Mit diesen finsteren Gedanken öffnete er den sperrigen
Riegel an der schweren Eichentüre und stemmte sein ganzes Gewicht
gegen das alle Holz, bis sie mit Knarzen und Quietschen den Weg in
das ehemalige Dormitorium freigab.
Die
kalte Leuchtstoffröhre über dem großen Empfangstresen erreichte
mit ihrem kläglichen Licht die hohe Gewölbedecke nicht und schaffte
es nicht annähernd, den Raum mit Helligkeit zu fluten. Wie ein
schmuckloser Altar stand der wuchtige Tresen in ihrem unwirklichen
Lichtkegel. Irgendwo da draußen hatten Menschen sterben müssen und
der Schock darüber ließ nun auch diesen Ort wie ausgestorben
zurück. Die Zeit hatte einen Moment lang angehalten, als Explosionen
die Stille zerrissen und die Welt in einen Schockzustand fiel. Doch
während sich da draußen in den letzten Monaten das Leben wieder ein
Mindestmaß an trotziger Selbstverständlichkeit erkämpft hatte,
blieben diese Hallen stumm.
Stumm
wie sein Herz. Er hatte sich in die Stille dieses verlassenen Ortes
geflüchtet, um den Schrecken daran zu hindern, von seinem Leben
Besitz zu ergreifen. Er wollte nicht unter Menschen sein und so blieb
er alleine. Mit sich selbst, seinen Gedanken und mit seinen Tränen,
die längst seinen Blick verschleierten. Tod. Niemand anderer
verstand sich so gut darauf, das Leben zu zerstören. Fanatische
Menschen hatten seiner Frau das Leben genommen, doch es war ihr Tod,
der ihm seines nahm. Wie sollte er damit leben können, wenn in den
Leben der anderen bereits wieder so etwas wie Alltag eingekehrt war?
Seufzend
setzte er sich hinter die seither fast ungenutzte Kasse. Er kam sich
winzig vor in diesem riesigen Raum, der seinem Leben so ähnlich war.
Eine große Leere war auch in ihm. Leere und Dunkelheit. Er dachte
darüber nach, wie lange dieses Kloster schon an seinem Ort stand. Es
hatte das Kommen und Gehen so vieler Menschen erlebt, Verluste der
Zeit und zweier Weltkriege. Es hatte Schaden genommen, wurde umgebaut
und stand trotz allem was ihm widerfahren war noch immer hier. Auch
er würde mit seinen Beschädigungen und den Veränderungen leben
müssen, denn das Leben ging unbarmherzig weiter, so sehr er sich
auch wünschte, es würde - für einen Moment wenigstens –
innehalten.
Mühsam
stand er von seinem Stuhl auf, wischte sich die bitteren Tränen aus
den Augen und stütze sich auf den Tresen. Das Leben musste
weitergehen, wenn er die Mörder nicht gewinnen lassen wollte. Das
Leben musste weiter gehen und jetzt war Zeit für seinen täglichen
Rundgang. Er zog die schwere Türe hinter sich ins Schloss und wagte
sich auf seine ersten Schritte zurück ins Leben.