Liebe SPD,
was ist nur aus dir geworden? Ja, ich weiß, diese Frage dürfte man all unseren Parteien gleichermaßen an den Kopf werfen, doch auf die SPD trifft sie im besonderen Maße zu. Inhaltlich gesichtslos, dafür personell um so gewichtiger und gerade dadurch an den Rand der Unwählbarkeit gerutscht. Ein Parteivorsitzender, der es sich auf der Bank neben Mama Merkel so gemütlich gemacht hat, dass seine eigene Partei viel eher noch als kleine Schwester der CDU auftritt, als deren leibliche, wenn auch ungeliebte Schwester CSU es jemals tat.
Und nun soll dieser Sigmar doch tatsächlich Kanzler werden? Die Alternative für Angie? Ich würde ja lachen, wenn es nicht so unfassbar traurig wäre. Der Vorsitzende einer Arbeiterpartei, der eigentlich nur durch Lobbyarbeit für die Arbeitgeber und Großkonzerne in die Schlagzeilen gerät, der sich wendet, wie ein Fähnchen im Wind, um an der Macht zu bleiben, die neben Angela Merkel am Ende doch nichts anderes ist als eine Illusion?
Seinen ärgesten Konkurrenten - gerade weil in seinem Amt und beim deutschen Volk jenseits aller Parteistreitigkeiten beliebten - Steinmeier hat er ja geschickt auch gegen den Willen seiner Mutti Angela in das Präsidentenamt abgeschoben. Wäre er nicht der bessere Kanzlerkandidat? Vielleicht hat sich Angela so lange gegen ihn als Bundespräsidet gewehrt, weil sie sehr wohl weiß, dass er sie bei einer Wahl hätte schlagen können? Nach all den Jahren an der Macht hätte ihr ein Wechsel vielleicht gut getan. Mit ihrem Außenminister als Nachfolger hätte sie vielleicht leben können... wir werden es nie erfahren.
Nun ist ein neuer SPD-Spitzenkandidat angetreten, um auf den letzten Metern das Amt des Außenministers zu übernehmen. Ein eigentlich unbeschriebenes Blatt in der Bundespolitik, dafür aber ein streitbarer Kämpfer auf EU-Ebene. Einer, der den Mund aufmacht und auch unangenehme Dinge ausspricht. Aber kann jemand, der so weitab vom politischen Sumpf Berlins groß geworden ist, in diesem Spiel wirklich bestehen? Schon wurde er als möglicher Kanzlerkandidat ausgerufen. Eigentlich ein sicheres Zeichen dafür, dass es für seine Karriere womöglich besser gewesen wäre, weiter auf den Europäischen Politikzirkus zu setzen, statt sich in Berlin verheizen zu lassen.
Solange Sigmar Gabriel die einzige Antwort der SPD auf die Frage nach einer Alternative zur Kanzlerin Angela Merkel bleibt, wird die SPD bei den nächsten Wahlen untergehen. Niemand hält den Vorsitzenden der SPD für eine echte Alternative. Das ist das Problem, wenn man zu lange in einer "Großen Koalition" stecken bleibt. Man verliert mit jedem Jahr an Profil und Gesicht, wird in seinen eigenen Ansichten immer unglaubwürdiger.
Viele sehen keinen anderen Weg, etwas in diesem Land zu ändern, als die einzige Alternative zu wählen, die sich ihnen anbietet. Dem Stillhalten der SPD ist der Aufstieg der AfD zu verdanken. Sie hat fleissig alle Unzufriedenen eingesammelt und unter ihrem wild zusammengeschusterten Dach zusammen gerufen. Ihr Wahlprogramm ist ein einziger Widerspruch, aber jeder ihrer Wähler klammert sich an das, was seinen eigenen Gefühlen entgegenkommt. Dabei bleibt zweitrangig, dass sie an anderen Ecken vielleicht der eigenen Meinung vollkommen entgegensteht.
Ich habe Angst vor dem Ergebnis der nächsten Wahl und das nicht erst, seit es Viktor Orban, den Brexit und Donald Trump gibt und uns von Seiten Frankreichs eine Marine Le Penn droht. Und das werfe ich ALLEN Parteien gleichermaßen vor: sie haben es kommen sehen und in unterschiedlichem Maße zugesehen oder weggeschaut, aber nichts unternommen, das Vertrauen derer zurückzugewinnen, die sich immer mehr von der Politik abgehängt fühlen. Wer vertritt mich, wenn es CDU, SPD, Die Grünen oder die Linke so offensichtlich nicht mehr tun wollen?
Wen wundert es dann, wenn ein mehr als Fünftel der Wähler eine "Alternative für Deutschland" wählen wollen? Viele werden mit schlechtem Gewissen den Rechtspopulisten ihre Stimme geben. Davor habe ich Angst, auch wenn ich zugeben muss, dass ich keine der etablierten Parteien ohne das geiche schlechte Gewissen wählen kann.
Hier sehe ich die einzige Chance gerade für die SPD: gebt zu, dass ihr die Augen veschlossen habt, gesteht ein, dass ihr den Blick auf die Bedürfnisse der Wähler vernachlässigt habt, dass ihr eine große Mitschuld am Entstehen und Aufstieg der AfD habt und geht spätestens nach einer Niederlage mit eurem "Ich-will-gar-nicht-Kanzler" Sigmar Gabriel wieder in die Opposition und kämpft um das Recht, euch wieder Volkspartei nennen zu dürfen, indem ihr auf die Sorgen und Nöte des Volkes hört, deren Vertreter ihr im Bundestag sein wollt.
Das ist ein Tipp, den ich allen Parteien nur ans Herz legen kann: hört auf euer Volk. Hört zu, reagiert auf ihre Sorgen und klärt sie darüber auf, was ihr für sie tut. Denn das was ihr da oben in Berlin tut, scheint viel mehr euch selbst und eurem Weiterkommen zu dienen.
Nehmt euch das zu Herzen.
Ein äußerst ratloser und besorgter Wähler