Sie werden
keine Hinweise finden. Er ist kein einfacher Mörder. Er ist ein
Spieler, ein Sammler ein Sucher. Er hatte mich über Monate verfolgt,
ausgekundschaftet, was ich tat, wer ich war und wie er an mich
herankommen könnte. Ich passte exakt in sein Beuteschema: naiv,
gutgläubig, alleinstehend und vor allen Dingen verliebt. Ich habe
viel zu spät begriffen, dass ich in die Fänge eines Nephilim
geraten war.
Der nächste Morgen kam für alle
schneller als erwartet, denn es war spät geworden in den Archiven
und zumindest Kommissar Zufall war gespannt, ob er die ersten Akten
schon in der Postabteilung finden würde, wenn er ins Büro kam. Er
musste zugeben, dass seine neue Partnerin ihm gefiel. Sie hatte einen
scharfen Verstand und das nötige Gespür für solche Fälle. Und sie
rüttelte ihn ein bisschen auf aus seinem üblichen Trott. Er war
erstaunt, als er Dirk Brünn in seinem Büro antraf.
„Morgen.“
„Morgen, Peter.“
„Was gibt es? Du
siehst ein bisschen beunruhigt aus.“
„Du erinnerst
dich an das Haar?“
„Aus dem
Fahrstuhlschacht? Ja. Was ist damit?“
„Wir konnten
keine Treffer finden. Es ist nicht menschlich. Also jedenfalls nicht
vollkommen menschlich.“
„Was meinst du
damit?“
Der Kommissar nahm an seinem
Schreibtisch Platz und schaltete die Kaffeemaschine ein. Der
Forensiker schien noch nach den richtigen Worten zu suchen, als auch
Claudia Röbel das Büro betrat.
„Guten Morgen
ihr zwei, so früh schon so ernste Gesichter? Gibt es ein weiteres
Opfer?“
„Mike wollte mir
gerade erklären, dass unser verdächtiger nur zum Teil ein Mensch
ist.“
„Was?“
Seine Kollegin sag ihn verdattert an.
Dann räusperte sich der Chef der KTU.
„Ich habe die
ganze Nacht durchgemacht. Ich habe die Untersuchung dreimal
wiederholt und komme immer auf das gleiche Ergebnis: die DNA ist
nicht zu 100% menschlich.“
Es herrschte einige Sekunden lang
absolute Stille im Raum.
„Ich konnte die
DNA zerlegen und die Hälfte ist menschlich. Es ist die DNA der
Mutter. Die andere ist unbekannt, menschenähnlich und männlich,
aber kein Mensch und auch kein Menschenaffe oder ähnliches. Ich habe
so etwas noch nie gesehen und ich weiß nicht, was ich dazu in meinen
Bericht schreiben soll. Wenn ich das so rein schreibe, wie es ist,
wird man mich für bekloppt erklären und in Rente schicken.“
„Das Haar muss
ja nicht von unserem Täter sein, es nutzen ja auch andere den
Fahrstuhl. Nicht täglich, aber zumindest hin und wieder. Vielleicht
sollten wir es einfach vergessen.“
Peter hielt seine Kollegin davon ab,
etwas zu sagen und schüttete sich eine Tasse brühend heißen,
starken Kaffee ein.
„Wie ihr meint.
Ich schließe die Probe ein, sicher ist sicher.“
Damit verabschiedete sich der
Kriminaltechniker von den beiden Kommissaren und verschwand aus dem
Büro.
„Was hältst du
davon Peter?“
„Ich weiß es
nicht. Doch es mag mehr zwischen Himmel und Erde geben, als in
unseren Schulbüchern geschrieben steht. So heißt es doch, oder? Und
jetzt sehen wir erst mal ob eine der angeforderten Akten angekommen
ist.“
Natürlich war
seine Mutter ein Mensch. Engel können keine Kinder bekommen. Aber
sie können welche zeugen, auch wenn es ihnen eigentlich verboten
ist. Ich hatte mich früher einmal damit beschäftigt, aber als ich
einem wahrhaften Sohn eines Engels begegnet bin, habe ich es nicht
erkannt. Ich habe auch nicht an die Legenden geglaubt, aber ich tue
es heute, hier, an diesem Ort zwischen allen Welten.
Er war
allerdings kein Riese, wie es in den Geschichten heißt. Aber schön
war er, mit dunklen Augen, in die man wie in einen See hineintauchen
konnte und aus denen man erst wieder an das Tageslicht gelangte, wenn
er es zuließ. Göttliche Kraft in einem menschlichen Körper mit
einer durch die Sünde des Himmelsboten verdorbenen Seele. Die Macht
sich jeden Menschen untertan zu machen, in dem man bedingungslose
Liebe in ihm weckt, nur um ihn zu benutzen und wegzuwerfen.