Prolog
Zitternd stand
er am Abgrund. Seine Augen starr auf den Horizont gerichtet, damit er
die Tiefe vor sich nicht sah. Ein eisiger Wind blies ihm ins Gesicht,
doch er war so von seinen Gedanken gefesselt, dass er nicht einmal mehr
fror. Er stand an der Schwelle einer neuen Welt, an einem Übergang, den
er nur wagen musste. Nur ein Schritt weiter. Und dann? Was erwartete ihn
auf der anderen Seite? Würde dort sein Schicksal auf ihn warten?
So war es ihm schließlich prophezeit worden.
Sein Brustkorb
hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Tief. Kalt. Erfrischend. Dann
schloss er die Augen und verbannte alle Gedanken an die Welt die er
hinter sich lassen würde. Er sprang.
Kapitel 1: Das Buch von Mantigoé
Wann immer sich
Maritt an den Gegenstand erinnerte, der unter dem doppelten Boden seines
Fuhrwerkes versteckt war, sah er seinen Hals schon in der Schlinge
stecken. Bücher waren verboten. Und dieses Buch hatte die Kraft, die
ganze Welt, die er kannte, in einen Abgrund zu stürzen, wenn es in
falsche Hände geriet. Sollte man ihn damit erwischen, war das sein
Todesurteil und das der meisten anderen vom Volk der Perawor.
Er hatte das
Stadttor schon fast erreicht. Normalerweise wurden die Bauern auf dem
Weg zurück in ihre Dörfer nicht sonderlich gut kontrolliert, doch bei
seinem Glück würde er an einen besonders gründlichen Wachposten geraten.
Maritt wurde nervös, und er wusste, dass es genau das war, was die
Wache erst auf ihn aufmerksam machen könnte. Er bemühte sich, nicht an
das Buch zu denken, doch es kam ihm so vor, als würde nicht der schmale
ledergebundene Band aus der Feder der alten Magier im Geheimfach hinter
seinem Rücken liegen, sondern das Tor zur Hölle. Er meinte sogar, die
Hitze der Schwefelfeuer zu spüren und begann zu allem Unheil auch noch
zu schwitzen.
Und tatsächlich
stellte sich ihm einer der bewaffneten Wächter in den Weg. Sofort hielt
Maritt sein Pferd an und betete inständig, dass sie nicht auch noch
seinen Wagen durchsuchen würden.
„Was habt ihr auf dem Wagen, Bauer?“
„Nichts. Nur die Reste vom Gemüse für den Markt.“
„Nicht alles verkauft?“
„Nein.“
„Lasst mal sehen!“
Noch
bevor Maritt etwas dagegen tun konnte, hatte der Soldat mit seinem
Speer die Plane angehoben und begutachtete, was auf der Ladefläche zu
finden war. In diesem Moment war er dem pedantischen Sortas dankbar
dafür, dass er darauf bestanden hatte, die Tarnung so perfekt wie
möglich zu gestalten.
„Den Kohl nehm ich für die Turmküche, Bauer.“
„Nehmt nur, nehmt! Was soll ich denn mit soviel Kohl alleine anfangen.“
Er
sah zu, wie drei der leicht angeschlagenen Kohlköpfe durch die Luft
flogen und war erleichtert, als er danach durch das Tor gewunken wurde.
Froh die Stadt endlich hinter sich lassen zu können, pfiff er ein
Liedchen vor sich hin. Seine Tarnung als Bauer war gut genug gewesen,
die Torwache zu täuschen, aber... [Fortsetzung folgt]
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